Wer nichts zu verlieren hat, kann nur gewinnen

Am Mittwoch (20.04.) bestreiten die Hamburg Towers ihre 7DAYS EuroCup Achtelfinal-Partie bei Valencia Basket. Tipoff beim spanischen Titelfavoriten ist um 20.30 Uhr. Magenta Sport überträgt ab 20.20 Uhr live.

WHAT’S UP?! Auf dem Papier waren die Hamburg Towers wohl in noch keiner der bisher absolvierten 48 Pflichtspiele in dieser Saison so deutlich unterlegen – und das, obwohl sie mit dem siebten (17:13) Platz in der BBL und dem siebten Platz (6:10) in der Gruppenphase des 7DAYS EuroCup bisher durchaus respektable Ergebnisse im ersten Jahr unter regelmäßiger Doppelbelastung erzielt haben. Die Ergebnisse des Achtelfinalgegners Valencia Basket sind zwar nicht in außergewöhnlicher Weise besser – in der heimischen ACB stehen die Hafenstädter auf Platz sechs (19:10), die EuroCup-Gruppe B wurde auf Platz zwei (12:6) abgeschlossen. Doch die Spanier haben das, woran die Hamburg Towers langsam, aber stetig arbeiten wollen – Historie, Erfolge und Trophäen. Drei der vier EuroCup-Titel sicherte sich der Klub im vergangenen Jahrzehnt, wurde zudem in dieser Zeit einmal spanischer Meister und sicherte sich auch die Supercopa. Das Team von Cheftrainer Joan Penarroya ist gespickt mit erfahrenen Veteranen und hungrigen Talenten. Rund um das Trio Claver, Dubljevic und Van Rossom formte der Spanier eine Mannschaft, die in dieser Spielzeit nach dem fünften Erfolg im zweithöchsten europäischen Vereinswettbewerb strebt. Lediglich zwei Partien hat Valencia in dieser EuroCup-Saison zu Hause verloren. Um für eine Überraschung im Pabellón Fuente de San Luis zu sorgen, bräuchten die Hamburg Towers wohl das perfekte Spiel. Denn mit durchschnittlich 86,8 Punkten pro Partie stellen die Taronges die drittstärkste Offensive, sind mit 39,3 Rebounds pro Partie das stärkste Team an den Brettern und verteilen die drittmeisten Assists (20,7) im Wettbewerb. Doch trotz aller Unterlegenheit auf dem Papier, haben die Hamburg Towers die Partie gegen den Favoriten keinesfalls vorzeitig abgeschrieben. Denn das Format für die Entscheidungsspiele im 7DAYS EuroCup ist auf mögliche Überraschungen ausgelegt – Single Elimination, Do-or-Die: Das heißt, dem Underdog reichen vierzig außergewöhnliche Minuten, um für eine Sensation zu sorgen. Hamburgs Center Maik Kotsar hat bereits am College Erfahrungen mit diesem Format gemacht – und freut sich auf die vermeintlich unlösbare Aufgabe. Als Collegeneuling setzte sich der 2,11-Meter-Riese gleich drei Mal gegen den Favoriten durch. Der Final Four Einzug im NCAA hat ihn eines gelehrt: Wer nichts zu verlieren hat, kann nur gewinnen. Diese Erfolgsformel gilt es jetzt auch als EuroCup Neuling anzuwenden.

Wenn es nach Head Coach Pedro Calles geht, bleiben die Hamburg Towers auch gegen den Favoriten ihren Prinzipien treu. | Foto: Marvin Contessi

DUELL IM FOKUS Maik Kotsar vs. Martin Hermannsson. Sie könnten die Schlüsselspieler im Achtelfinale werden – ohne sich dabei direkt gegenüberzustehen. So bekommt es Maik Kotsar, viertbester Scorer und bester Rebounder der Hamburg Towers, vor allem mit Valencias Center-Garde um die Topscorer Jasiel Rivero (11,3) und Mike Tobey (11,2) sowie dem ehemaligen ACB Finals-MVP Bojan Dubljevic (8,4) zu tun. Die 12,7 Punkte, 6,7 Rebounds und 1,1 Steals des Esten sprechen aber dafür, dass er es auch mit den erfahrenen Big Men aufnehmen kann. Martin Hermannsson, fünftbester Scorer und Assistsleader bei Valencia Basket, wird sich vor allem mit dem aggressiven Max DiLeo und den beiden großgewachsenen Justus Hollatz und Caleb Homesley konfrontiert sehen. Es wird eine zentrale Aufgabe, den regelmäßigen Starter mit durchschnittlich 8,5 Punkten, 4,8 Assists und 0,6 Steals zu stoppen.

BLICK IN DIE GESCHICHTSBÜCHER Sie sind die Gesichter des Basketballs in Valencia – Victor Claver, Bojan Dubljevic und Sam Van Rossom. Das Ü30-Trio prägte das wohl erfolgreichste Jahrzehnt in der Geschichte des 1986 gegründeten Klubs. Der mittlerweile 33-jährige Claver gab im Jahr 2006 sein Debüt für die Taronges (die Orangen) – gewann 2010 mit seinem Heimatverein den 7DAYS EuroCup. Nach drei Jahren in der NBA sowie Stationen in Moskau, Kuban und Barcelona wechselte der Forward in diesem Jahr zurück an alte Wirkungsstätte. Und traf dort auf Bojan Dubljevic, der seit 2012 das Trikot des Klubs aus der Hafenstadt trägt, und Sam Van Rossom, der seit 2013 ununterbrochen in Orange aufläuft. Das Center-Guard-Duo feierte mit Valencia Basket zwei weitere EuroCup-Titel (2014 & 2019) sowie 2017 die bisher erste und einzige Meisterschaft in der spanischen ACB. In diesem Jahr strebt Valencia nach dem fünften internationalen Titel (der erste wurde 2003 im Premierenjahr des EuroCups gefeiert) – der möglicherweise eine weitere erfolgreiche Ära an der spanischen Ostküste einleiten könnte.

OFF THE COURT Die Hamburg Towers sind der 14. deutsche Vertreter im 7DAYS EuroCup seit der Gründung des zweithöchsten internationalen Vereinswettbewerbes im Jahr 2002. Neben den Hanseaten sind immerhin elf Klubs (Bamberg, Berlin, Bonn, Braunschweig, Göttingen, Frankfurt, Ludwigsburg, München, Oldenburg, Ulm und Würzburg) auch in dieser Saison noch in der höchsten deutschen Spielklasse vertreten. Die beiden weiteren ehemaligen deutschen EuroCup-Vertreter treten mittlerweile in der ProA und ProB an. Doch gibt es zu den Artland Dragons und den heutigen Rheinstars Köln die wohl engsten Verbindungen. Von 2008 bis zum Bundesliga-Rückzug 2015 absolvierten die Drachen aus Quakenbrück immerhin fünf Spielzeiten im EuroCup – ab 2012 erst als Athletiktrainer und für die letzten zwei Jahre als Assistant Coach war Pedro Calles dabei. Die heutigen Rheinstars (damals RheinEnergie Cologne/Köln bzw. Köln 99ers) nahmen insgesamt vier Spielzeiten (2002-2005 und 2007-08) am EuroCup teil. In den ersten drei Jahren gehörte der heutige Hamburger Geschäftsführer Marvin Willoughby zum Aufgebot. Und absolvierte unter anderem zwei Partien gegen Valencia. Im Jahr 2003 unterlagen die Kölner in zwei Spielen ausgerechnet im Achtelfinale – in Valencia avancierte Willoughby mit 14 Punkten zum Topscorer.

KURZER SCHNACK VOR DEM SPIEL

Maik Kotsar freut sich auf die Herausforderung. | Foto: Marvin Contessi

PEDRO CALLES: „Als wir in die EuroCup-Saison gestartet sind, habe ich keinesfalls an ein solches Szenario gedacht. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit der Entwicklung des Teams. Sie haben die richtige Einstellung entwickelt – das ist nicht einfach in so einer langen Saison. Wir treten in jedem Spiel an, um unser Bestes zu geben, unabhängig der Umstände. Das war der Schlüssel, der uns an diesen Punkt gebracht hat. Auch als wir mit drei Niederlagen gestartet sind, haben wir uns nicht versteckt, sondern haben weitergearbeitet. Anschließend kamen die Resultate. Es ist mehr als klar, dass wir in diesem Spiel nichts zu verlieren haben. Valencia ist nicht nur klarerer Favorit, sondern auch einer der aussichtsreichsten Kandidaten auf den Titel. Sie haben viel Qualität im Kader, den Wettbewerb bereits viermal gewonnen. Alle Spieler haben einen hohen Basketball-IQ und sind sehr versiert. Sie spielen mit großen Forwards und Big Men – ihre Flügelspieler sind deutlich über zwei Meter. Ihre Frontcourt-Spieler sind sehr vielseitig, sie können einerseits direkt in Korbnähe agieren, gleichzeitig können sie aber auch das Feld weit machen. Hier müssen wir sehr wachsam sein. “

MAIK KOTSAR: „Wir haben in dieser Saison deutlich mehr Spiele absolviert. Das fordert einen gewissen Tribut von uns, von meinem Körper und dem aller im Team. Gleichzeitig ist es eine sehr wertvolle Erfahrung, die uns alle besser gemacht hat. Ich denke, diese Erfahrung ist den Preis wert, daher sind wir froh über die Mehrzahl der Spiele. Ich freue mich auf das Duell mit den Big Men aus Valencia. Sie bringen viel Erfahrung mit, aber auch in der BBL gibt es Spieler, die auf diesem Level und sogar auf Euroleague-Level spielen. Ich mag diese Herausforderungen. Und genauso mag ich die Do-or-Die Situation. Alle Emotionen, alles, wofür man das Jahr gearbeitet hat, wird in einem Spiel konzentriert – die Intensität wird entsprechend sehr hoch sein. Das Spiel wird vielleicht nicht immer schön aussehen, jeder wird in der Verteidigung alles geben. Das kann zu vielen Fouls und Ballverlusten führen. Es ist einfach anders im Vergleich zu einer Serie, in der du mehrfach die Chance hast, ein Spiel zu gewinnen. Jetzt geht es nur um den Moment und darum, alles in dieses eine Spiel zu packen. Als Underdog hast du in einem einzigen Spiel alle Chancen – wenn du deine Würfe triffst, du mit mehr Energie spielst, dann kann alles passieren.“