Wenn das Ergebnis zur Nebensache wird

Die Hamburg Towers verlieren bei Tabellenführer FC Bayern München 86:75 (13:16, 28:46, 58:60). Doch das Spielgeschehen war nur eine Randnotiz einer abendlichen Gefühlsachterbahn.

WIE LIEF’S Vor dem Tipoff setzten beide Teams gemeinsam ein Zeichen gegen den Krieg. Und auch zu Spielbeginn setzten die sportlichen Kontrahenten auf dem Parkett Statements – vor allem in der Defensive. Dank fünf schneller Zähler von Caleb Homesley, dessen Einsatz vor der Partie fraglich war, blieben die Towers trotz niedriger Wurfquoten (22% im ersten Viertel) am Tabellenführer dran. Und nachdem Homesley mit seinem zweiten Dreier und zwei Freiwürfen seine Zähler sechs bis zehn erzielt hatte, lagen die Towers sogar in Führung. Weil die Hanseaten in der Folge weiter konsequent verteidigten, beendete das Calles‘ Team die ersten zehn Minuten mit einem Drei-Punkte-Vorsprung. Doch vor allem aus dem Zwei-Punkt-Bereich ließen die Hamburger zu viele Chancen ungenutzt. Von jenseits der 6,75-Meter-Linie zeigten sich die Gäste dagegen treffsicherer. In der 13. Spielminute überschattete dann eine Verletzung von Münchens Nick Weiler-Babb das Geschehen – minutenlang musste der US-Amerikaner auf dem Spielfeld behandelt werden, ehe er abgeschirmt auf einer Trage aus dem Audi Dome transportiert wurde. Beide Mannschaften versuchten nach der Unterbrechung wieder einen Rhythmus zu finden. Den Hamburgern gelang dies zunächst besser, bis auf elf Zähler baute Jaylon Brown den Vorsprung von der Freiwurflinie aus. Acht schnellen Punkten von Lucic setzte Robin Christen fünf ebenso schnelle Zähler entgegen. Nach einem Dreier von Caleb Homesley war die Führung erneut zweistellig. Und allen Begleitumständen zum Trotz hielten die Towers ihren Fokus bis zur Halbzeit weiter hoch und nahmen, auch weil sie München bis hierhin zu zehn Ballverlusten zwangen, eine 18-Punkte-Führung in die Kabine. Doch der Seitenwechsel stellte das Spielgeschehen auf den Kopf. Der Wiederbeginn gehörte ausschließlich den Hausherren, die mit drei Dreiern die Hamburger Führung in gerade einmal 113 Sekunden wieder in den einstelligen Bereich drückten. Erst nach drei Minuten konnte Seth Hinrichs mit einem Lay Up die Sorgenfalten auf der Stirn von Pedro Calles für Sekundenbruchteile lösen, doch schafften es die Towers auch weiterhin nicht, die Münchner am Scoring zu hindern. Sieben Minuten nach der Pause schienen die Hamburger dann ihren Rhythmus wiedergefunden zu haben. Doch diese Phase währte nur kurz, auch weil Maik Kotsar bei einem unglücklichen Kontakt beim Kampf um den Rebound ein unsportliches Foul kassierte. Zu Beginn des Schlussviertels war das komplette Punktepolster schließlich aufgebraucht, München spielte konsequent seine Vorteile aus. Und der Druckphase der Hausherren hatten die Hamburg Towers nichts mehr entgegenzusetzen – fünf Minuten vor dem Ende war der Rückstand zweistellig. Daran änderte sich auch in den letzten Spielminuten nichts mehr. Doch an einem Tag, in dem in Europa ein Krieg tobt und ein Akteur ohne Bewusstsein auf dem Spielfeld behandelt werden muss, ist ein sportliches Ergebnis sowieso nur Nebensache.

TOWERS-STATS J. Brown (15 Pkt.), Z. Brown, DiLeo, Homesley (27, 4 Ass.), Meisner (4), Christen (8), Kotsar (8, 7 Reb.), Hinrichs (29, Bluiett (8, 8 Reb.), Edigin (2, 6 Reb.), Hollatz (1, 3 Reb., 9 Ass.)

Welcome back, Paul Zipser! | Foto: Christina Pahnke

TOWER OF THE GAME An dieser Stelle verzichten die Hamburg Towers auf die Auszeichnung eines Akteurs im sportlichen Sinn. Das Team, Spieler, Trainer, Verantwortliche, sind in Gedanken bei Nick Weiler-Babb und wünschen dem Guard des FC Bayern München eine schnelle Genesung und Rückkehr auf das Parkett.

DUELL IM FOKUS Basketball vs. Wichtigeres! Noch vor Spielbeginn und auch während der ersten Hälfte bestimmten Trauer, Solidarität und Anteilnahme das Geschehen. Doch es gab auch Positives an einem aufwühlenden Abend – ein Gefühl von Glück und Hoffnung. Nach fast neun Monaten Reha-Zeit gab DBB-Nationalspieler Paul Zipser für 15 Sekunden sein Comeback auf dem Parkett und sorgte für einen Lichtblick. In diesem Sinne: Welcome back, Paule!

WHAT’S NEXT Noch in der Nacht geht es für die Hamburg Towers mit dem Teambus zurück in die Hansestadt. Denn bereits ab morgen richtet sich der Blick auf die Vorbereitung der kommenden Partie am Samstag (05.03.) gegen die EWE Baskets Oldenburg. Gerade einmal 48 Stunden bleiben dem Coaching-Team um Head Coach Pedro Calles, um das Team auf die nächste Herausforderung einzustellen. Aktuell rangieren die Niedersachsen auf Tabellenplatz 17. Doch das Team aus ‚Pauldingburg‘ ist alles andere als ein klassischer Abstiegskandidat. Denn seit Baskets-Legende Rickey Paulding das Oldenburger Trikot trägt, verpasste das Team, das 2009 Deutscher Meister und 2015 Pokalsieger wurde, lediglich in einer Saison die Postseason. Für den Kampf um den Ligaverbleib trennten sich die Oldenburger von ihrem langjährigen Coach Mladen Drjencic und verpflichteten mit Ingo Freyer einen ehemaligen deutschen Nationalspieler, der seine ehemaligen Teams in Hagen und Gießen bereits zu Bestleistungen trieb – und das glückte dem Coach zuletzt auch auf Anhieb in Oldenburg. Kurzentschlossene können sich noch wenige Resttickets unter tickets.hamburgtowers.de sichern.

KURZER SCHNACK NACH DEM SPIEL

Die Hamburg Towers solidarisieren sich mit allen Menschen, die aufgrund von Kriegen und kriegerischen Handlungen unverschuldet um ihr Leben und ihre Freiheit fürchten müssen. | Foto: Christina Pahnke

PEDRO CALLES: „Zuallererst wünsche ich Weiler-Babb eine schnelle und vollständige Genesung. Zweitens möchte ich München zum Sieg gratulieren. Sie haben in der zweiten Halbzeit, und das haben wir erwartet, mit mehr Physis agiert. Daran konnten wir uns nicht anpassen. Das Level konnten wir offensiv und defensiv dann nicht mehr mitgehen.“

ROBIN CHRISTEN: „Ich muss sagen, dass in dieser Zeit wichtigere Dinge passieren als das, was im Spiel in der zweiten Hälfte passiert ist. Wir, unser ganzes Team, hoffen, dass es Nick Weiler-Babb gut geht, dass er schnell wieder zurückkommt und es nur schlimmer aussah, als es war. Und dann gibt es auch noch eine andere Situation, die quasi direkt vor unserer Haustür passiert. Da haben wir vor dem Spiel ein Statement gesetzt, auch hier ist man immer in Gedanken dabei. Sportlich haben die Bayern in der zweiten Halbzeit ihre Stärken gezeigt, wir sind eingebrochen.“