Hirn aus, Herz an – Späte Aufholjagd, kein Happy End

Den Veolia Towers Hamburg gelingt nach 27-Punkte-Rückstand zwar eine Aufholjagd, für einen Sieg bei den HAKRO Merlins Crailsheim reicht es aber nicht. Meisner und Woodard mit 9 von 12 Hamburger Dreiern entscheidend beteiligt.

Raoul Korner: „Zuerst einmal Glückwunsch an Sebastian und seine Mannschaft zum deutlichen und wohlverdienten Sieg. Wir waren, ich muss noch einmal schauen, 26 oder 27 Minuten vollkommen jenseits von Gut und Böse. Also offensiv wie defensiv haben wir nie Zugriff bekommen, waren total verunsichert, haben haarsträubende Fehler gemacht. Wir haben nicht die Physis gematcht. Und erst dann, als das Spiel mehr oder weniger vorbei war und wir das Hirn ausgeschaltet haben, haben wir begonnen, das zu machen, was uns zu Saisonbeginn stark gemacht hat. Nämlich mit Speed spielen, mit Intensität spielen, mit mehr Physis spielen. So haben wir dann noch Ergebniskosmetik betrieben, mehr war es nicht. Aber diese 27 Minuten zu Beginn, das geht nicht. Das müssen wir sehr, sehr schnell in den Griff bekommen. Das ist meine Verantwortung und der werde ich mich stellen.“

James Woodard: „Die erste Halbzeit war wirklich hart für uns. Da war von uns nichts zu sehen. Crailsheim hat einfach viel zu viele Punkte gemacht, sie haben mit viel Energie gespielt. In der zweiten Halbzeit haben wir dann mit viel Herz gespielt und uns trotz des überdeutlichen Rückstandes wieder zurückgekämpft. Ich bin stolz auf meine Jungs, dass wir Kampfgeist gezeigt haben. Jetzt müssen wir den nächsten Schritt gehen. Auch ich muss besser werden und schauen, wo ich dem Team helfen kann. Heute waren es die Würfe. Glückwunsch an Crailsheim, die ihren Gameplan heute gut umgesetzt haben.“

HAKRO Merlins Crailsheim 92:84 Veolia Towers Hamburg (22:17, 53:33, 80:57)

Nebelmaschine, Lightshow und dazu noch eine satte Portion Echosounds – die Einlaufshow der HAKRO Merlins Crailsheim erinnerte an eine frühabendliche Runde im Autoscooter auf dem Hamburger Dom. Ähnlich durcheinander ging es dann zunächst auch auf dem Parkett zur Sache. Beide Teams drückten aufs Tempo, es wurde viel rotiert, die Mischung zwischen Vorwärts- und Rückwärtsgang passte aber nur selten. Hinter weiterhin lautstark wummernden Bässen waren es die Hausherren, die anschließend schneller in die Spur fanden. Auch, weil die Hanseaten zur Mitte des ersten Viertels bereits das Teamfoullimit überschritten hatten und sich zudem gleich mehrfach unnötige Ballverluste leisteten. Dank zweier Distanztreffer von Marvin Clark II blieben die Veolia Towers zwar in Schlagdistanz – die Merlins hatten ihr erstes Zwischenziel zu diesem Zeitpunkt aber schon erreicht, denn sie führten zum Ende der ersten 10 Minuten mit fünf Zählern.

Das zweite Viertel lief bei den Hamburgern dann wie verhext. Yoeli Childs und Kendale McCullum verpassten trotz aussichtsreicher Position, Crailsheims dagegen verwandelte die Korbleger sicher und ging nach einem 8:0-Start zweistellig in Führung. Nach der ersten Auszeit von Raoul Korner kamen die Towers durch Woodard und Childs zwar wieder zu Zählbarem. Doch die Treffer blieben eine absolute Ausnahme. Nach weiteren Punkten der Hausherren griff Korner erneut zur Auszeit. Die Stimme des Österreichers kam mit der seinen Schützlingen fehlenden Leichtigkeit gegen die Volksfest-Musik an – die Laune des Head Coaches war an einem ähnlichen Tiefpunkt angelangt wie die Trefferquote (33,3%) der Hanseaten. Auch die zunächst exzellente Freiwurfquote sank bis zur Halbzeitpause in ähnliche Sphären (57,1%). Mit einem Wechsel auf Zonenverteidigung versuchten die Towers die stetig anwachsende Hypothek zu stoppen – doch statt Stopp stopfte Crailsheims dänischer Hüne Midtgaard beflügelt über die Verteidigungsreihen hinweg. Ein Crailsheimer Distanztreffer zementierte den 20-Punkte-Rückstand zur Pause.

Auch die 15-minütige Unterbrechung und ein Seitenwechsel halfen nicht, um dem Spiel eine andere Richtung zu geben. Bei den Veolia Towers fand weiterhin fast kein Abschluss aus dem Spiel den Weg durch die Reuse. Die Merlins dagegen verwandelten weiter mit Fabelquoten und hatten dabei auch noch Fortune – Mikalauskas schmierte der Dreier ab, landete über den Umweg Brett aber doch im Korb. Der Rückstand wuchs auf 27 Punkte. Das nächste Tief war erreicht, als der einfach nicht in die Partie finden wollende Kendale McCullum sein viertes Foul kassierte. Neues Feuer im Hamburger Team entfachte Jonas Wohlfarth-Bottermann, der nach einem Wrestling-Griff von Midtgaard verbal deutlich klarstellte, dass sich die Towers trotz hohem Rückstand nicht durch die Gegend schubsen lassen. Dass anschließend Woodard aus der Distanz traf, nötigte Crailsheim Coach Gleim prompt eine Auszeit ab. Weitere Distanztreffer von Woodard und Lukas Meisner ebneten den Weg zu einem lang ersehnten Zwischenspurt – der Rückstand schmolz auf 14 Punkte. Doch so schnell wie das Momentum gekommen war, war es auch wieder weg. Mit einem 10:0-Run sorgten die Merlins erneut für klare Verhältnisse.

Auch auf einen guten Start ins Schlussviertel fingen sich die Hamburger einen Crailsheimer Konter. Doch diesmal setzten die Korner-Schützlinge direkt wieder nach, verlängerten ihre Drangphase und hatten sich nach einem Dreier von Lukas Meisner wieder auf 13 Punkte herangearbeitet. Reihenweise vergebene Chancen auf Crailsheimer Seite ließen den Traum nach einem Comeback weiterleben. Die Zeit lief unaufhörlich gegen die Hamburger, die ebenfalls gute Chancen verpassten. Im dritten Versuch verwandelte Lukas Meisner, reduzierte auf 11, bei noch verbleibenden drei Minuten auf der Uhr. Und die lief weiter unerbittlich. Jonas Wohlfarth-Bottermann gelang es 74 Sekunden vor Schluss den Rückstand doch noch in den einstelligen Bereich zu drücken. Ein lehrbuchhaft gelaufener Spielzug nach einer Auszeit ermöglichte Meisner die nächsten Punkte – Rückstand nur noch sechs, 47 Sekunden zu spielen. Und dort endete die Aufholjagd, mehr war nicht mehr drin.

Stats: Schoormann, Philipps, Meisner (22, 6 Reb.), Woodard (20, 5 Reb.), Samar (10, 3 Ass.), McCullum (6, 3 Ass.), Hinrichs (4, 6 Reb., 5 Ass.), Clark II (6), Wohlfarth-Bottermann (8, 8 Reb.), Childs (8, 7 Reb.)