Aufbruch zum Durchbruch

Die Heimat verlassen – ausgezogen, um alten Mustern zu entwachsen. Christoph Philipps wagt nach 16 Jahren den Schritt aus dem schwäbischen Ulm in die große weite Welt. In Hamburg findet er sportlich und persönlich die perfekten Bedingungen, um sich weiterzuentwickeln.

Sein ganzes Leben verbrachte Christoph Philipps in Ulm, um Ulm und um Ulm herum. Mit sechs Jahren hielt er zum ersten Mal an einem Messestand einen Basketball in der Hand. Und weil der damalige Basketball-Zweitligist aus der schwäbischen Universitätsstadt Philipps mit Freikarten in die Sporthalle auf den Ulmer Kuhberg, besser bekannt als die Kuhberghölle, lockte, ließ der heute 23-Jährige das orange Leder fortan auch nicht mehr los. Christoph Philipps wurde vom Fan zum Profi und könnte eigentlich berechtigten Anspruch stellen, den Titel – „das Gesicht von Ulm“ – sowohl dem in der Donaustadt geborenen Albert Einstein als auch der BBL-Legende Per Günther, der in diesem Sommer seine neongrünen Sneaker an den Nagel gehängt hat, streitig zu machen. Doch das würde nicht dem Naturell des 2,03 Meter großen Flügelspielers entsprechen, der in Hamburg die Ulmer Doktrin hinter sich lassen und sportlich sowie persönlich reifen will.

Dass die Hansemetropole die schönste und lebenswerteste Stadt Deutschlands ist, das wissen nicht nur alle Hamburger:innen, das bestätigen ebenso zahlreiche jährlich erscheinende Städterankings. Auch Christoph Philipps selbst schätzt die Vorzüge der Hansestadt, ausgedehnte Parkspaziergänge, Restaurantbesuche, ein Café direkt vor der Haustür – obwohl er bisher wohl nicht einmal fünf Prozent der Hansestadt erkundet hat. Den ersten Umzug, zunächst nach Wilhelmsburg, hat er mit seinem Papa gestemmt. Doch die Elbinsel war ihm zu ruhig. Mittlerweile hat er in Alsternähe eine eigene Wohnung gefunden, die Einrichtung übernimmt er gemeinsam mit seiner Freundin, die Ende August ebenfalls die schwäbische Idylle gegen das Weltstadtleben eingetauscht hat. Weltoffenheit liegt Christoph Philipps einfach im Blut, ebenso wie die Großstadt, wurde er doch in München geboren.

Das merkt man auch, wenn man mit ihm über sein zweites Standbein, sein Wirtschaftspsychologie-Fernstudium spricht. Im Sommer absolvierte er dafür einige Kurse in Madrid. Für ein Leben nach dem Sport vorzusorgen, ist für Christoph Philipps ein No-Brainer, doch gerade die geistigen Anstrengungen des Studiums bieten ihm den perfekten Ausgleich zu den körperlichen Leistungen auf dem Basketballfeld. Zu oft in seiner noch jungen Karriere hat Philipps erleben müssen, wie schnell diese auch wieder vorbei sein kann. Im Sommer hat er sich mit einem ehemaligen Ulmer Athletiktrainer gezielt auf die anstehenden Strapazen vorbereitet, daran gearbeitet, zäher und robuster aufzutreten. Die Vorarbeit kommt ihm in der aktuellen Saisonvorbereitung zugute, er fühlt sich trotz der täglichen Belastung frisch, hat wieder volles Vertrauen in seinen Körper. Auch das ist eine Kopfsache.

Gleiches gilt auch für das Durchbrechen alter Muster. In seinen 16 Jahren im Ulmer Basketball wurde er mehr und mehr in die Rolle des Musterverteidigers gedrängt. Dank einer Armspannweite von 2,07 Metern, seiner Größe und schnellen Füßen bringt er sehr gute Voraussetzungen mit, um gleich vier Positionen verteidigen zu können. Von Jaka Lakovic, der ab dieser Saison für EuroCup-Gegner Gran Canaria an der Seitenlinie steht, wurde Philipps als Kettenhund auf die besten Scorer angesetzt. Doch für die Entwicklung junger Spieler kann diese Eindimensionalität durchaus hinderlich sein. In Hamburg sollen die Ketten gesprengt werden, Christoph Philipps will auch offensiv seine Daseinsberechtigung, wie er es selbst nennt, unter Beweis stellen. So wie einst im Ulmer Nachwuchs – in seinem letzten ProB-Jahr überzeugte er mit durchschnittlich fast 15 Punkten, bei 44-prozentiger Dreierquote.